Kitas & Schulen verlässlich öffnen: Bundesweite Bildungs- & Betreuungsgarantie 2021

Kitas & Schulen verlässlich öffnen: Bundesweite Bildungs- & Betreuungsgarantie 2021

Startdatum
16. Dezember 2020
53.693 Unterschriften:Nächstes Ziel: 75.000
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Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Initiative "Kinder brauchen Kinder"

Am 16.12.2020 (bzw. in Sachsen am 14.12.) wurden erneut Kitas und Schulen geschlossen. Bereits am Tag nach der Verkündung der Maßnahmen ließ Kanzleramtschef Helge Braun verlauten, er halte eine umfassende Lockerung nach dem 10.01. für sehr unwahrscheinlich und stimmt auf einen harten Januar und Februar ein. Tatsächlich wurde bei den Bund-Länder-Beratungen am 5.1. eine Verlängerung der Schließungen sowie Notbetreuung bis 31. Januar beschlossen, wobei einige Bundesländer in der Umsetzung abweichen.*

Das Corona-Infektionsgeschehen macht weitere Einschränkungen unausweichlich. Auch Familien versuchen unter Aufbringung aller Kraft solidarisch ihren Beitrag im Kampf gegen Covid-19 zu leisten. Eine weitere, ggf. monatelange (teilweise) Schließung von Kitas und Schulen ohne Aussicht auf ein Ende ist aber für Kinder, Jugendliche und deren Familien nicht noch einmal leistbar und würde das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung massiv beschneiden. Statt die Hauptlast für das Pandemiegeschehen auf den Schultern der Jüngsten unserer Gesellschaft abzuladen, müssen wir Erwachsenen Verantwortung übernehmen und die Politik muss endlich evidenzbasierte Maßnahmen ergreifen.

Wir fordern deshalb:

  • umfängliche Öffnung aller Bildungseinrichtungen für alle Kinder und Jugendlichen, spätestens zum 01.02.2021*
  • Anerkennung der Bedeutung von Bildung und eine bundesweite Bildungs- und Betreuungsgarantie 
  • Anerkennung, dass Kitas und Schulen ein sozialer Lebensraum sind und nicht nur “Anstalten” zur Vermittlung von Wissen bzw. “Aufbewahrung von Kindern”
  • Chancengerechtigkeit auch in der Pandemie
  • kindgerechter Infektionsschutz in den Einrichtungen und tragfähige pädagogische Konzepte 
  • evidenzbasierte Maßnahmen auf Basis konkreter Zahlen und wissenschaftlicher Erkenntnisse von Experten aus allen Disziplinen (z. B. Kindermedizin, Psychologie, Pädagogik, Lehramt etc.)
  • transparente Kommunikation des Infektionsgeschehens an Bildungseinrichtungen
  • Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei allen Maßnahmen

Begründung:

In der Pressekonferenz vom 25.11.2020 betonte Angela Merkel noch, dass weitere Einschränkungen bei Kitas und Grundschulen aufgrund der geringeren Infektiosität junger Kinder nicht zur Diskussion standen. Wenige Wochen später wird Kindern und Jugendlichen wieder das Recht auf Bildung und Teilhabe verwehrt. Schon die zusätzlichen zunächst ein bis drei Wochen schul- bzw. kitafreie Zeit über Weihnachten / Neujahr bedeuten erneuten Bildungsverlust, verschärfen durch teils Präsenz-, teils Distanz- und teils keinen Unterricht die Bildungsschere. Längere Schließungen würden die Chancengerechtigkeit noch stärker beeinträchtigen. Hinzu kommen durch die “Stay-at-home”-Vorgaben gravierende Einbußen im Sozialleben der Kinder und Jugendlichen. Die massiven Folgen der letzten Kita- und Schulschließung sind bekannt z. B.:

  • 71 Prozent der vom UKE Hamburg befragten Kinder und Jugendlichen fühlen sich in der Corona Zeit belastet. Vor allem Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss beziehungsweise einen Migrationshintergrund haben, erleben die Corona-bedingten Veränderungen als äußerst schwierig. Fehlende finanzielle Ressourcen und ein beengter Wohnraum führen ebenfalls zu einem hohen Risiko für psychische Auffälligkeiten. [1]
  • Geht ein Drittel eines Schuljahres an Lernen verloren, so geht dies über das gesamte Berufsleben gerechnet im Durchschnitt mit rund 3-4% geringerem Erwerbseinkommen einher. [2]
  • 48,5% motiviert eingeschätzten Schüler:innen standen beim Homeschooling im Frühjahr 51,1% nicht oder wenig motivierte Kinder gegenüber, obwohl die an der Befragung der Universität Koblenz-Landau teilnehmenden Eltern der Kinder überwiegend aus dem mittleren bis hohen Bildungsniveau kamen (39,9% haben einen akademischen Hintergrund, 19,1% einen Realschulabschluss, 24,1% haben Hochschulreife). [3]
  • Für die digitale Ausstattung ihrer Schulen vergaben jüngst 1.100 in NRW befragte Schulleiter:innen im Schnitt die Note 3,8, also ungenügend. [4] In einer nicht repräsentativen Umfrage von Report Mainz gaben zwei Drittel der Befragten 3.000 Lehrer:innen an, dass sie bei erneuten coronabedingten Schulschließungen nicht ad hoc auf digitalen Fernunterricht umschalten könnten. [5]
  • Für viele Kinder in Deutschland stellen Schulen und Kitas zudem dringend notwendige und unverzichtbare Schutzräume dar. Diese Schutzräume zu schließen, bedeutet, diese Kinder einer Gefährdung auszusetzen. Allein in der Gewaltschutzambulanz der Charité Berlin ist die Zahl an Kindesmisshandlungen um 23 Prozent gestiegen im ersten Halbjahr 2020. [6]

Unstrittig können sich auch Kinder und Jugendliche mit Sars-Cov-2 infizieren, aber als gesichert gilt, dass sie selbst in aller Regel milde Krankheitsverläufe haben. Kitas und Schulen sind auch in den letzten Monaten nicht als Treiber des Infektionsgeschehens aufgetreten. [7, 8] “Insgesamt scheinen Kinder weniger infektiös als Erwachsene”, sagen u.a. auch RKI und DJI im aktuellen Quartartalsbericht der Corona-KiTa-Studie. [9] Weitere relevante Aussagen finden sich unter anderem hier:

  • Bis Ende Oktober wurden laut Corona-Kita-Studie von RKI und DJI nur 225 Ausbrüche – mit mindestens zwei laborbestätigten Covid-19-Fällen – übermittelt, bei denen als Infektionsumfeld „Kindergarten, Hort“ angegeben war. „Eine bundesweite Studie von Schulausbrüchen in Deutschland auf Grundlage von Meldedaten ergab, dass circa 0,5 Prozent aller Covid-19-Ausbrüche in Deutschland in Schulen stattfanden und insgesamt 216 Fälle umfassten“, heißt es in der Corona-Kita-Studie weiter. [9]
  • Eine Auswertung aller Kontaktpersonen der Kategorie 1 aller 232 Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen mit positivem Sars-Cov-2 Test („Indexfälle“) in Kitas und Schulen in Rheinland-Pfalz ab Ende der Sommerferien bis Anfang Dezember ergaben eine Ansteckungsrate von 0,97 Prozent, bei  Haushaltskontakten liegt diese Rate bei 18,8 Prozent. [10]
  • “Bisherige Daten aus Deutschland geben keinen Anlass, die generelle, sprich: flächendeckende, altersgruppen- und Schulformübergreifende Schließung von Schulen als ein taugliches und angemessenes Mittel zur Bekämpfung der Pandemie anzusehen”, konstatiert auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin am 09.12.2020. [11]
  • Die Corona Schulstudie des Universitätsklinikums Leipzig mit Tests in inzwischen drei verschiedenen Zeiträumen führt laut Studienleiter zu der Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche weniger von Covid-19 betroffen sind als Erwachsene. [12]
  • Über 100 deutsche Kinderkliniken hatten bei einer umfangreichen Datenanalyse der standardmäßig vor stationärer Aufnahme durchgeführten Sars-Cov-2 Tests bis Mitte November bei 0,53 Prozent dieser Tests ein positives Ergebnis festgestellt. Die Mediziner:innen kommen damit zu dem Schluss, dass es keine wesentliche  Untertestung bei Kindern und Jugendlichen gibt. [13]
  • Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren haben laut einer Metaanalyse von 32 Studien mit Daten von rund 41.000 Kindern und 270.000 Erwachsenen eine um 44 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit einer Corona-Infektion. [14]
  • Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) fordern aufgrund der bisherigen Erkenntnisse u.a. Anfang Januar 2021 auch eine intensive Aufklärung der Lehrerschaft und des weiteren Betreuungspersonals über die Risiken von Ansteckungen im privaten Umfeld, dem größten Treiber in der momentanen 2. Welle.*[15]
  • Jüngere Kinder scheinen weniger anfällig für Infektionen zu sein; wenn sie infiziert sind, führt dies seltener zu einer Weitergabe der Infektion. Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen nehmen am Infektionsgeschehen teil, sind aber nach aktuellem Wissensstand  selbst kein Treiber der Pandemie, stellt das ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) in seinem Bericht "COVID-19 in children and the role of school settings in transmission" vom 23.12.2020 fest.*[16]

Unabhängig von der Frage, wie ansteckend Kinder selbst sind und wie oft sie sich anstecken, haben Kinder das Recht auf Bildung und soziale Teilhabe. Auch Erwachsenen, die mindestens gleich ansteckend wie Kinder und Jugendliche sind, wird nicht pauschal das Recht auf Berufsausübung genommen. Kitas und Schulen zu schließen, damit Eltern als ein (geringer) Teil der erwerbstätigen Bevölkerung verstärkt zuhause bleiben müssen, ist keinesfalls mit der gesellschaftlichen Fürsorgepflicht für Kinder und Jugendliche vereinbar. Sie zahlen bereits jetzt einen hohen Preis. 

Das Recht auf (frühkindliche) Bildung nach Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention hängt wieder vom Wohnort (Bundesland), teils dem Beruf der Eltern und den Ressourcen des Elternhauses ab. Es sind aber alle Kinder systemrelevant!


Erstunterzeichner:innen (in alphabetischer Reihenfolge)

Initiativen „Kinder brauchen Kinder“ und „Familien in der Krise“ mit

Zarah Abendschön-Sawall
Judith Bachmann 
Sina Denecke
Nele Flüchter 
Sabine Kohwagner
Anna-Maria Kuricová
Tobias Oelbaum 
Heike Riedmann
Stephanie Schläfer
Carola Schneider
Stefanie Seifert
Diane Siegloch
Barbara Theiß


Quellen

[1] UKE Copsy Studie: www.uke.de/copsy 
[2] ifo Studie „Folgekosten ausbleibenden Lernens“: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-06-vorab-woessmann-corona-schulschliessungen.pdf
[3] Homeschooling-Studie der Universität Koblenz-Landau: https://www.uni-koblenz-landau.de/de/landau/fb5/bildung-kind-jugend/grupaed/medienordner-grundschulpaedagogik/Wildemann/bericht_homeschooling 
[4] Umfrage unter Schulleiter:innen in NRW: https://www1.wdr.de/nachrichten/factsheetpdf100.pdf 
[5] Umfrage unter Lehrer:innen (nicht repräsentativ): https://www.swr.de/report/schulschliessungen-wegen-corona-befragung-tausender-lehrer-zeigt-erschreckende-defizite-beim-digitalen-fernunterricht/-/id=233454/did=25309764/nid=233454/qdp8vs/index.html 
[6] Steigende Zahlen aus der Gewaltschutzambulanz: https://www.tagesspiegel.de/politik/knochenbrueche-oder-schuetteltraumata-mediziner-berichten-von-massiver-gewalt-gegen-kinder/25833740.html 
[7] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0304407620303468 
[8] https://www.cream-migration.org/publ_uploads/CDP_22_20.pdf 
[9] Quartalsbericht der Corona Kita Studie: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/KiTaStudie_QuartalIV_2020.pdf?__blob=publicationFile 
[10] Monitoring Secondary Attack Rate in Schools RLP: https://corona.rlp.de/de/aktuelles/detail/news/News/detail/untersuchung-belegt-sehr-niedrige-uebertragungsrate-in-schulen-1/ 
[11] Stellungnahme DGKJ: https://www.dgkj.de/detail/post/presseinfo-verlaengerte-schulferien-sind-kein-Pandemieschutz 
[12] Schulstudie Sachsen: https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2020/11/09/weiterhin-geringe-infektionslage-an-sachsens-schulen-ergebnisse-der-zweiten-leipziger-corona-schulstudie-liegen-vor 
[13] Auswertung der deutschen Kinderkliniken: https://www.sgkj.de/images/Aktuell/2020-11-24_Ad_Hoc_Information_zur_Datenerhebung_an_Kinderklinken.pdf 
[14] Metaanalyse Infektiosität:  Viner et al. 2020, Susceptibility to SARS-CoV-2 Infection Among Children and Adolescents Compared With Adults, JAMA Pediatrics, Published online September 25, 2020. doi:10.1001/jamapediatrics.2020.4573
Artikel dazu in der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/corona-covid-ansteckung-kinder-sars-cov-2-1.5045262
[15] Stellungnahme der DGPI und DGKH vom 04.01.2020: https://dgpi.de/stellungnahme-dgpi-dgkh-rolle-von-schulen-kitas-in-der-covid-19-pandemie/ 
[16] ECDC Report "COVID-19 in children and the role of school settings in transmission" vom 23.12.2020: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/COVID-19-in-children-and-the-role-of-school-settings-in-transmission-first-update_0.pdf

Aktualisierung:
* Aufgrund der sich rasant ändernden politischen Regelungen sowie neuer Erkenntnisse wurde eine Aktualisierung der Petition nach den Bund-Länder-Beschlüssen am 5.1.2021 nötig.

  • Zunächst wurde eine Öffnung zum 11.1.2021 gefordert - solange waren die Schließungen im ersten Schritt beschlossen. Dies wurde nun auf "spätestens 1.2.2021" geändert. Eine weitere Verschiebung der Forderung werden wir allerdings ungeachtet künftiger Beschlüsse nicht vornehmen: Es ist dann eine Schließungsdauer erreicht, gleich lange wie im Frühjahr 2020, trotz über neun Monaten Vorbereitungszeit und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Mehr ist absolut nich hinnehmbar.
  • Weitere kleinere textliche Änderungen wurden aufgrund der Beschlüsse hinzugefügt und mit * gekennzeichnet. Außerdem wurden neue Quellen hinzugefügt [15] und [16]. 

Foto: pixabay.de

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