Bedarfsgerechte Psychotherapie

Bedarfsgerechte Psychotherapie

Startdatum
11. Februar 2016
Petition an
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) und
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Gestartet von Initiative Phoenix - Bundesnetzwerk für angemessene Psychotherapie e.V.

Die "Initiative Phoenix" - Bundesnetzwerk für angemessene Psychotherapie e.V. fordert die Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss um einen Behandlungsrahmen für komplexe Traumafolgestörungen.

 

Begründung:

Psychotherapie als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kann im Rahmen der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie"  erbracht werden, soweit und solange eine seelische Krankheit nach § 2 der Richtlinie vorliegt.

Schwere bzw. komplexe und frühe Traumatisierungen verursachen chronische posttraumatische Belastungsstörungen mit diversen Komorbiditäten. Das sind seelische Krankheiten im Sinne dieser Richtlinie. Sie werden als "komplexe Traumafolgestörungen" bezeichnet. Menschen, die Behandlung wegen komplexer Traumafolgestörungen benötigen, können überwiegend nicht die psychotherapeutischen Maßnahmen in Anspruch nehmen, die für ihr Störungsbild nötig und angemessen wären, da in der Richtlinie die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die GKV für eine effiziente und auch ökonomisch sinnvolle Behandlung dieser Patientengruppe fehlen.

PatientInnen, Betroffenen-Netzwerke, Angehörige und therapeutisch arbeitende, forschende und beratende ExpertInnen tragen seit Jahren Erfahrungen und Erkenntnisse aus Theorie und Praxis zusammen, die belegen, dass eine Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie um einen Behandlungsrahmen für komplexe Traumafolgestörungen dringend erforderlich ist.

Bedarfsgerechte Psychotherapie, menschlicher Umgang, Respekt, authentische Bindungsangebote und Verläßlichkeit können heilungsfördernd bis lebensrettend sein. Von komplexen Traumafolgestörungen betroffene Menschen mit guten therapeutischen Erfahrungen erleben sich stabilisiert, erreichen Arbeitsfähigkeit, gesellschaftliche Teilhabe, eine Verbesserung ihrer Lebens- und Gesundheitssituation und engagieren sich in sozialen Berufen, Organisationen und Ehrenämtern. Für die Mehrzahl professioneller HelferInnen ist es allerdings zur Hauptaufgabe der Begleitung, Beratung und auch der Psychotherapie geworden, ihre KlientInnen innerhalb unsicherer Bedingungen immer wieder zu stabilisieren und teilweise notdürftig am Leben zu halten, weil für die eigentlich nötige Traumatherapie keine Zeit und kein Behandlungsrahmen vorgesehen ist. Das ist aus allen Richtungen betrachtet unbedingt veränderungsbedürftig.

Die fehlende Gewährleistung kontinuierlicher und dauerhafter ambulanter Psychotherapie wo sie nötig wäre führt zu erheblichen Versorgungsmängeln und unnötigen Folgekosten. Viele Studien und Erfahrungswerte, auch Gerichtsurteile belegen die Notwendigkeit und (auch volkswirtschaftlich) ökonomische Sinnhaftigkeit angemessener Psychotherapie für Menschen mit komplexen Traumatisierungen in ihrer Biografie, u.a.:

  • die Deutsche Traumafolgekostenstudie des IGSF, 2012
  • ein Urteil in einem Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, 2014
  • die ACE-Studie (Felitti, 2002)
  • die Richtlinie der ISSD für die Behandlung der komplexen PTBS, 2005
  • eine Studie von LARA in Kooperation mit der Universität Potsdam (Roth, 2015)

... und eine Untersuchung der Initiative Phoenix mit insgesamt mehr als 1300 Beteiligten - Betroffenen, Angehörigen, TherapeutInnen aus verschiedenen Bereichen. (Sommer, 2012)

Mehr als die Hälfte der wegen Traumafolgen arbeitsunfähigen Betroffenen, die sich an der Erhebung der Initiative Phoenix beteiligten, hat die Schule mit Fachschulreife oder Abitur abgeschlossen. Jede/r Dritte hat ein abgeschlossenes Studium im Lebenslauf. Mehr als 80% derjenigen komplex Traumatisierten, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen müssen, haben die mittlere Reife oder einen höheren Bildungsabschluss. Die meisten Menschen, die Therapie wegen komplexer Traumafolgestörungen suchen, haben oder hätten eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig qualifizierte Hilfe bekämen, die individuell bedarfsgemäß angepasst würde, und wenn sie sich auf deren Gewährleistung langfristig verlassen könnten.

Grundsätzlich fehlt in der Psychotherapie-Richtlinie ein Behandlungsrahmen für Menschen mit (komplexen) Traumafolgestörungen und die Zulassung qualifizierter TherapeutInnen zu Finanzierungsmöglichkeiten der GKV. Fast jede/r dritte qualifizierte TherapeutIn muss wegen fehlender Kassenzulassung bis zu 70% der Anfragen für eine Traumatherapie ablehnen, jede/r Fünfte sogar mehr. Die Mehrheit der Betroffenen, die einen Kassenplatz "ergattern" muss aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten ihre Psychotherapie unterbrechen. Über 90% der TherapeutInnen dieser Erwachsenen beobachten in bzw. nach einer solchen unfreiwilligen Pause eine Zunahme psychosomatischer und somatischer Symptome, der Arbeitsunfähigkeit und der Medikamenteneinnahme. Über 80% bestätigen eine Zunahme von selbstverletzendem Verhalten, von Substanzmissbrauch und Suizidalität. Mehr als 80% der in der Phoenix-Studie erfassten BehandlerInnen aus stationären Einrichtungen glauben, dass eine Klinikeinweisung durch höhere Stundenkontingente für ambulante Traumatherapie mindestens manchmal vermieden werden kann.

Der tatsächliche Bedarf an ambulanter Psychotherapie übersteigt bei Weitem den Umfang des Richtlinien-Rahmens. Traumatisierungen und ihre Folgen müssen derzeit in Anträgen für Therapiestunden verschwiegen und Symptome abgeschwächt oder verzerrt dargestellt werden, weil die Wahrheit nicht ernstgenommen wird oder dazu führt, dass Betroffene als "zu krank" aufgegeben werden. Unter anderem deshalb ist es schwer, verläßliche Zahlen zur tatsächlichen Prävalenz komplexer behandlungsbedürftiger Traumafolgestörungen zu finden.

Eine kontinuierlich fortgesetzte ambulante Psychotherapie, die dazu beiträgt, Ressourcen zu finden, zu entwickeln und zu stärken und erreichte Stabilisierungen für gesellschaftliche Teilhabe zu erhalten, ist insgesamt effizienter und sinnvoller als die bisherigen Möglichkeiten für "gestückelte" Behandlung bei komplexen Traumafolgestörungen. Bedarfsgerechte Psychotherapie ist Gesundheitsförderung, Prävention - auch Prävention transgenerationaler Weitergabe von Gewalt, schont Ressourcen, senkt Folgekosten und mindert nicht zuletzt auch die gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Belastung durch psychische Erkrankungen. Die GKV brauchen, so die gleichlautenden Antworten ihrer VertreterInnen und SachbearbeiterInnen auf Anträge und Nachfragen, um Finanzierungen für bedarfsgerechte Psychotherapie bereitstellen zu können, eine deutlichere Grundlage innerhalb der Psychotherapie-Richtlinie.

Deshalb fordert die Initiative Phoenix eine Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie wie folgt.

§ 23 (3) neu:
Für Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen kann verfahrensunabhängig der Behandlungsumfang auf ein Mehrfaches der Kontingente erweitert werden, solange ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach §§23 und 70 SGB V besteht.

 

 

Kontakt:

Initiative Phoenix - Bundesnetzwerk für angemessene Psychotherapie e.V.
c/o Johanna Sommer
PF 2334, 37013 Göttingen

 http://initiative-phoenix.de

 

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Entscheidungsträger*innen

  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
  • Prof. Josef Heckenunparteiischer Vorsitzender, Mitglied im G-BA
  • Jürgen MatzatPatientenvertreter, Unterausschuss Psychotherapie im G-BA
  • BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP)Patientenvertretung im G-BA
  • Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.Patientenvertretung im G-BA