Biodiversitätsverlust stoppen! - Brief zur UN-Weltnaturkonferenz an die Bundesregierung

Biodiversitätsverlust stoppen! - Brief zur UN-Weltnaturkonferenz an die Bundesregierung

Startdatum
11. Dezember 2022
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Gestartet von Filibert Heim

15. UN-Weltnaturkonferenz: Unsere Zukunft in Ihren Händen! 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Frau Ministerin Lemke,
sehr geehrter Herr Minister Özdemir,
sehr geehrte Frau Ministerin Schulze, 

jede achte Tier- oder Pflanzenart ist vom Aussterben bedroht und könnte in den nächsten Jahrzehnten für immer von unserer Erde verschwinden. Natürliche Lebensräume nehmen stark ab, allein die Hälfte der Korallenriffe sind verlorengegangen, Primärwälder schwinden weiterhin dramatisch. (1) Machen wir weiter wie bisher, schlittern wir in ein sechstes globales Massenaussterben. (2,3)

Funktionsfähige, genetisch vielfältige und artenreiche Ökosysteme versorgen uns mit Nahrung, sauberem Wasser und Luft. Sie sind für uns Menschen überlebenswichtig. Sie sind unsere Lebensgrundlage und stehen eigentlich laut Artikel 20a unserer Verfassung unter besonderem Schutz.

Die Wissenschaft ist sich einig: Der globale Biodiversitätsverlust ist menschengemacht (1), die Klimakrise hat dabei einen zunehmenden Anteil. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir sowohl die Möglichkeit als auch die Verantwortung haben, einen Kollaps der Ökosysteme zu verhindern. Bisherige politische Fehleranalysen zu Ursachen und Treibern des Biodiversitätsverlusts sind jedoch halbherzig und Maßnahmen zur Trendumkehr unzureichend. Bisher führt der bestehende sozioökonomische Rahmen unserer Gesellschaft zur Zerstörung der Natur.

In diesen Tagen trifft sich die Weltgemeinschaft, um auf der 15. UN-Weltnaturkonferenz in Montreal (Kanada) Wege zu finden, die Biodiversitätskrise mit einem globalen Rahmenabkommen zu stoppen. Die Finanzierung ist dabei eine Schlüsselfrage der Verhandlungen. Mit der Zusage von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr hat Deutschland ein erstes wichtiges Zeichen gesetzt. In Montreal müssen Sie und die Bundesregierung nun auch andere Industrienationen zu Finanzleistungen drängen und sich mit Nachdruck für ein nicht nur ambitioniertes, sondern auch umsetzungsorientiertes Rahmenabkommen einsetzen. Wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, dass im Abkommen die folgenden Punkte enthalten sind:

  1. 30×30-Ziel: Im Jahr 2030 müssen mindestens 30 % der Land- und Ozeanflächen unter qualitativ hochwertigem Naturschutz stehen. Die Rechte und traditionellen Nutzungsformen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften –  die erwiesenermaßen die Mehrzahl intakter Ökosysteme erfolgreich schützen und verteidigen – müssen gesichert werden. (1)
  2. Wirtschaft und Finanzen: Umweltschädliche Subventionen sind schnellstmöglich zu stoppen und in biodiversitätsfördernde Maßnahmen umzulenken. Umweltschädliche Produkte müssen entsprechend ihrer Schadwirkung bepreist werden. Die Externalisierung von Umweltschäden muss gestoppt werden. Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik kann nur innerhalb der planetaren Grenzen erfolgen.
    Wiederherstellung: 20 % der degradierten Land- und Meeresflächen müssen bis 2030 dringend als funktionierende Ökosysteme wiederhergestellt werden. Gleichzeitig muss der Erhalt intakter Lebensräume Vorrang haben. Um die Flächeninanspruchnahme vor allem im Globalen Norden für Siedlung, Verkehr u.a. auf Netto-Null zu begrenzen, müssen Flächen entsiegelt bzw. Infrastruktur rückgebaut werden.
  3. Landnutzung: Um Platz für Naturräume zu schaffen und gleichzeitig die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, müssen aus der vorhandenen landwirtschaftlich genutzten Fläche mehr direkte Nahrungsmittel hervorgehen. Hierzu ist insbesondere eine drastische Reduktion der industriellen Tierhaltung um ca. 75 % und die Etablierung alternativer Bewirtschaftungsformen nötig. Gleichzeitig muss Land- und Meeresnutzung ohne weitere Intensivierung überall nachhaltig werden. (4–6)
  4. Umsetzung: Verbindliche Regelungen mit klaren Indikatoren müssen sicherstellen, dass gesteckte Ziele umgesetzt und erreicht werden. Alle Staaten müssen regelmäßig über die Erreichung der Ziele Rechenschaft ablegen und bei Nichterreichung nachbessern.

Das kommende Jahrzehnt ist entscheidend, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Dafür braucht es ambitionierte Maßnahmen, die sozial gerecht sein müssen und nicht gegen den Klimaschutz ausgespielt werden dürfen. Außerdem braucht es auf nationaler Ebene eine gesetzliche Regelung mit verbindlichen und einklagbaren Zielen, welche den Staat zum ganzheitlichen Schutz von Ökosystemen und Biodiversität verpflichtet. In dieser müssen Ziele für alle Schutzgüter (Ökosysteme, Boden, Wasser, Luft, Klima, Arten, etc.) festgelegt werden.

Klimawandel, Biodiversitätskrise, Landnutzungskonflikte; all diese Krisen sind miteinander verbunden und verstärken sich gegenseitig. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise und eine aufziehende Wirtschaftskrise fordern schnelles Handeln der Politik, dürfen jedoch nicht zum Stillstand in der Naturschutz- und Klimapolitik führen. 

Wir können eine Welt schaffen, in der junge Menschen eine Perspektive auf eine lebenswerte Zukunft haben, auf ein Leben in Gesundheit, Frieden, mit sicherer Nahrungs- und Wasserversorgung durch intakte Ökosysteme. Eine Welt, in der wir alle in einem harmonischen und respektvollen Verhältnis mit der Natur leben.

Wir fordern Sie daher auf, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Machen Sie Ihren Einfluss in der EU und weltweit geltend und setzen Sie sich mit Schwung für ein starkes Biodiversitätsabkommen ein. Unsere Zukunft liegt in Ihren Händen. 

Autor*innen:

  • Felician Heim, Deutsche Jugenddelegation zur CBD COP 15 (NAJU)
  • Landelin Winter, FridaysForFuture
  • Celina Last, Greenpeace Jugend
  • Filibert Heim, Biodiversitätsstudent Universität Göttingen
  • Henrike Cremer, FridaysForFuture
  • Leon Janas, BUNDjugend
  • Verena Roeser
  • Ole Horn, FridaysForFuture
  • Luca Salis
  • Caroline Friedrich, FridaysForFuture

Erstunterzeichner*innen: 

  • Prof. Dr. Josef Settele (IPBES, UFZ, iDiv, SRU)
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Otto Pörtner (IPBES & IPCC)
  • Prof. Dr. Maja Göpel (Leuphana Universität Lüneburg)
  • Prof. Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)
  • Prof. em. Dr. Michael Succow (Michael Succow Stiftung)
  • Prof. Dr. Klement Tockner (Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung)
  • Dr. Gregor Hagedorn (Museum für Naturkunde Berlin)
  • Prof. Dr. habil. Pierre Ibisch (Hochschule für Nachhaltige Entwicklung)
  • Prof. Dr. Antje Boetius (Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven)
  • Dr. Franziska Tanneberger (Greifswald Moor Centrum)
  • Prof. Dr. Inga Schleip (Hochschule für Nachhaltige Entwicklung & Biodiversitätsbeirat)
  • Luisa Neubauer (Aktivistin)
  • Carola Rackete (Aktivistin)

Unterstützende Wissenschaftler*innen: mehr als 1200

Unterstützende Organisationen: 

 

 

Die Initiative:
Hinter dem offenen Brief zur Weltnaturkonferenz in Montreal steht eine kleine Gruppe junger Umwelt-Aktivist*innen aus verschiedenen Verbänden und Organisationen. Bei der Erarbeitung der Forderungen und dem Verfassen des Briefes haben renommierte Wissenschaftler*innen unterstützt.

 

Bibliographie: 

1. IPBES. Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. https://zenodo.org/record/6417333 (2019) doi:10.5281/ZENODO.6417333.

2. Barnosky, A. D. et al. Has the Earth’s sixth mass extinction already arrived? Nature 471, 51–57 (2011).

3. Cowie, R. H., Bouchet, P. & Fontaine, B. The Sixth Mass Extinction: fact, fiction or speculation? Biological Reviews 97, 640–663 (2022).

4. Parlasca, M. C. & Qaim, M. Meat Consumption and Sustainability. Annu. Rev. Resour. Econ. 14, 17–41 (2022).

5. Scheffler, M. & Wiegmann, K. Gesundes Essen fürs Klima - Auswirkungen der Planetary Health Diet auf den Landwirtschaftssektor: Produktion, Klimaschutz, Agrarflächen. https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Planetary_Health_Diet_-Landwirtschaft.pdf (2022).

6. Willett, W. et al. Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. The Lancet 393, 447–492 (2019).

 

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