Dyskalkulie: Chancengleichheit, jetzt!

Dyskalkulie: Chancengleichheit, jetzt!

Startdatum
30. April 2022
Petition an
Karin Prien (KMK-Präsidentin und Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein) und an 16 mehr
17.647 Unterschriften:Nächstes Ziel: 25.000
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Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Junge Aktive im BVL

„Niemand darf wegen seiner Behinderung diskriminiert oder benachteiligt werden.“ Art. 3 III GG – Menschen mit Dyskalkulie werden bis heute in unserem Schulsystem ausgegrenzt!

Dyskalkulie ist eine „Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten“ (ICD-10, F81.2).

3-8 Prozent aller Menschen haben eine Dyskalkulie (Rechenstörung). Sie sind an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt und haben daher einen Anspruch auf Nachteilsausgleich.

Aktuell stützen sich die je nach Bundesland variierenden Regelungen auf die länderübergreifende Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003 in der letzten überarbeiteten Fassung vom 15.11.2007 [Link zum Beschluss]. Dieser bald 20 Jahre alte Beschluss, auf den sich die KMK stützt, geht davon aus, dass es nicht ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Die Dyskalkulie ist mittlerweile jedoch weitgehend erforscht, 2018 wurde die medizinische S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung veröffentlicht.

Wir fordern, bundesweit einheitliche schulrechtliche Regelungen zu erarbeiten, die auf aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen aufbauen! 

 

Was bedeutet die derzeitige Situation für Menschen mit Dyskalkulie:

Menschen mit Dyskalkulie haben es in unserem Bildungssystem besonders schwer, wie diese Biografien von Carla und Hannah zeigen:

Bei Carla (Bayern), heute 20 Jahre alt, wurde die Rechenstörung in der 3. Klasse im Alter von 9 Jahren diagnostiziert. Obwohl Carla in den anderen Fächern gut abschnitt, bereitete ihr vor allem die Mathematik Probleme. Durch die anhaltenden schlechten Leistungen in Mathematik entwickelte Carla schon im Alter von 9 Jahren große Selbstzweifel und eine beginnende Depression. Nur durch viel Förderung, Unterstützung ihrer Eltern und psychologische Hilfe schaffte sie es auf das Gymnasium. Neben der Mathematik beeinflusste die Dyskalkulie im Schulverlauf auch die Leistungen in anderen Fächern wie Physik, Chemie und Biologie. Da Carla ihr Abitur in Bayern absolviert hat, war Mathematik zwingend zu belegen - und das ohne einen Nachteilsausgleich, wodurch ihr Abiturschnitt negativ beeinflusst wurde. Sie hatte Glück: Für ihr Wunschstudium gab es keine Numerus-Clausus-Beschränkung, sondern ein Eignungsverfahren. (Ihre ganze Geschichte hier im Video)

Hannah (Niedersachsen) ist 19 Jahre alt, sie besucht das Gymnasium und bei ihr wurde die Diagnose Dyskalkulie erst in der 8. Klasse gestellt. Die Leistungen in den anderen Fächern waren stets gut, sodass sie auf das Gymnasium gehen konnte. In diesem Jahr gefährdete ihre Mathematik-Note ihre Versetzung in eine höhere Klassenstufe, da neben Mathematik ebenso die Leistungen der naturwissenschaftlichen Fächer mangelhaft waren. Diese unterdurchschnittlichen Resultate haben den Notendurchschnitt negativ beeinflusst, genauso wie den Durchschnitt des schulischen Teils der Fachhochschulreife. Auch in Niedersachsen ist Mathematik in das Abitur einzubringen und in einer Naturwissenschaft eine Prüfung zu absolvieren – ohne die ausreichend in den Schulgesetzen verankerte Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs trotz vorliegender Dyskalkulie. (Ihre ganze Geschichte hier im Video)

Zu den Grundlagen der aktuellen Regelungen sowie Konsequenzen für die Leitungsbewertungen befinden sich hier detaillierte Infos: Weiterführende Informationen

 

Wir fordern die KMK, die Landesparlamente und die jeweiligen Kultusministerien auf, zeitnah angemessene Antworten auf folgende Fragen zu geben:

  • Warum gibt es trotz neuer Forschungsergebnisse zur Dyskalkulie keine Änderung der Empfehlungen der KMK?! [Link zur Empfehlung]
  • Warum gibt es nicht einmal in 50 % aller Bundesländer schulrechtliche Regelungen zur Dyskalkulie?!
  • Wieso enden in einigen Bundesländern die schulrechtlichen Regelungen bei einer Dyskalkulie nach der 4. Klasse, wenn eine Dyskalkulie auch noch Erwachsene beeinträchtigt?!
  • Warum nimmt man es hin, gesunde Menschen „krank“ zu machen, indem man Dyskalkulie schulrechtlich nicht anerkennt und diese Schülergruppe nicht anforderungsgerecht fördert?! 40 % der Schüler mit Dyskalkulie entwickeln durch ihr schulisches Leid psychosomatische Folgeerkrankungen.

Was wollen wir erreichen?

Wir fordern bundesweit einheitliche schulrechtliche Regelungen zur Dyskalkulie, die dafür Sorge tragen, dass Menschen mit Dyskalkulie einen begabungsgerechten Schulabschluss erreichen und nicht in ihrer Berufswahl eingeschränkt werden. Die „Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder Rechnen“ der KMK vom 04.12.2003 i.d.F. vom 15.11.2007 entsprechen nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Dyskalkulie und müssen dringend überarbeitet werden!

Die Länder müssen die Themen Nachteilsausgleich und individuelle Förderung bei Dyskalkulie endlich angehen und gemeinsam, im Rahmen einer Beschlussfassung der Kultusministerkonferenz, eine Lösung finden, die diesen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gerecht wird. Hierfür ist es unabdingbar, dass gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die für die gesamte Schul- und Ausbildungszeit einen individuellen Nachteilsausgleich auch für Menschen mit Dyskalkulie ermöglichen.

Als erste Grundlage dafür könnte die „S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung“ herangezogen werden. Die Leitlinie erwähnt im Abschnitt 6 („Exkurs: Anwendung der Empfehlungen in der Schule“) ausdrücklich, dass schulische Maßnahmen im Bereich des Nachteilsausgleichs und Notenschutzes „wichtige Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen für eine erfolgreiche schulische Laufbahn und spätere Bildungs- und Berufskarriere der betroffenen Person“ darstellen. Darüber hinaus könnten die Bildungsministerien, Länderparlamente oder die KMK über die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) Forschung in Auftrag geben, so dass eine weiter differenzierte Betrachtung möglich wird.

Mit dieser Petition wollen wir Menschen mit Dyskalkulie unterstützen, denn aktuell werden sie allein gelassen und diskriminiert!

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Entscheidungsträger*innen

  • Karin PrienKMK-Präsidentin und Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
  • Theresa SchopperMinisterin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg
  • Michael PiazoloBayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus
  • Astrid-Sabine BusseBerliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie
  • Britta ErnstBrandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport