Erklärung Leipziger Katholikinnen und Katholiken zur Situation unserer Kirche

Erklärung Leipziger Katholikinnen und Katholiken zur Situation unserer Kirche

Startdatum
1. Juli 2022
543 Unterschriften:Nächstes Ziel: 1.000
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Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Stefan Dr. Blattner

Leipzig, den 30. Juni 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

als katholische Christinnen und Christen aus Leipziger Gemeinden drängt es uns, eine Erklärung zur gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche abzugeben. Diese Stellungnahme richtet sich an alle, die sich für dieses Anliegen interessieren, unabhängig davon, ob sie Leipziger sind oder nicht.

Die katholische Kirche erlebt eine schon länger andauernde Krise. Gleichzeitig erfahren wir, dass unser Mitwirken als katholische Christen in der Gesellschaft und deren Umgang mit Krisen wichtig und notwendig ist. Wir wollen unsere Aufgaben für die Gesellschaft und die Menschen, die in ihr leben, übernehmen. 

Um glaubwürdig handeln zu können, müssen wir uns auch unserer eigenen Verantwortung in der katholischen Kirche stellen. Wir müssen Stellung beziehen zu den hervorgetretenen Missständen in der katholischen Kirche und deren Ursachen. Und wir müssen fragen, was sich in unserer Kirche ändern muss. Veränderungen sind notwendig und möglich - das hat die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs gezeigt.

Mit der beigefügten Erklärung Leipziger Katholiken zur Situation in der katholischen Kirche wollen wir einen breit angelegten, offenen und ehrlichen Diskussionsprozess in den Gemeinden, kirchlichen Orten, katholischen Trägern, Vereinen und Institutionen anregen und beginnen. Dadurch sollen Möglichkeiten für dringende Veränderungen in unserer Kirche und erste konkrete Schritte hierzu aufgezeigt werden.

Wir bitten Sie, diese Erklärung zu diskutieren, zu verbreiten und sie gegebenenfalls mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

W. Albrecht, St. Blattner, H. Büttner, A. Pilz, F. Schnabel, Chr. Wilhelm (alle Mitglieder der Verfassergruppe der Erklärung) sowie H. Heipieper, D. Neumann, A. Pohler, K. Pohler, M. Ritz 

 

Erklärung Leipziger Katholikinnen und Katholiken zur Situation unserer Kirche

Als katholische Christinnen und Christen fragen wir uns, was unsere Aufgabe in und für die Stadt Leipzig ist. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir als Glaubende einen spezifischen Beitrag dazu leisten können, dass alle Menschen in dieser Stadt gut leben können.
Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Erklärung, tun dies allerdings in einer Situation, in der die katholische Kirche in einer tiefen Krise steckt. Immer deutlicher wird das Ausmaß der sexualisierten Gewalt, die insbesondere Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensangehörige und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Einrichtungen der katholischen Kirche verübt haben. Dazu kommt, dass der Missbrauch häufig verdrängt oder vertuscht, seine Aufklärung nur halbherzig betrieben oder ganz verschleppt wurde. Die Täter und Täterinnen blieben unbehelligt, weil die Verantwortlichen den Schutz der Institution über das Wohl der Betroffenen stellten. Das Eingeständnis eigener Schuld gegenüber den Opfern sexualisierter Gewalt, die Sorge um die Missbrauchsopfer und die Übernahme von Verantwortung für den entstandenen Vertrauensverlust durch kirchliche Verantwortungs- und Entscheidungsträger ist nicht glaubhaft erkennbar. Die Aufarbeitung ist bis auf wenige Fälle gescheitert. Dafür sehen wir strukturelle Ursachen, die in der Kirche selbst liegen. Wo eine Aufarbeitung dennoch gelang, war sie nur möglich dank des besonderen persönlichen Engagements der Beteiligten.
Darüber hinaus bilden die Diskriminierung der Frau, eine lebensfeindliche Sexualmoral, die Homophobie und die Intoleranz gegenüber anderen religiösen Vorstellungen sowie der spirituelle Missbrauch in der katholischen Kirche ein systemisches Ganzes, dem sich viele Christinnen und Christen nicht mehr anschließen können. Der massenhafte Auszug von Kirchenmitgliedern schmerzt uns sehr. Viele von denen, die gehen, sind nach wie vor tief im Glauben verwurzelt - doch einer Kirche, in der sie ihr Christsein vor sich selbst und anderen nicht mehr verantworten können, wollen sie nicht mehr angehören. Dies alles erschüttert uns als Christinnen und Christen. Gleichzeitig sehen wir die Schuld, die die katholische Kirche als Institution auf sich geladen hat – vor allem im sexuellen und geistlichen Missbrauch ihrer Macht. Deshalb reicht es nicht, wenn wir nur nach unserer Aufgabe für die Stadt Leipzig und die Menschen, die in ihr leben, fragen. Um glaubwürdig zu handeln, müssen wir uns auch unserer eigenen Verantwortung in dieser Situation stellen und fragen, was sich ändern muss.
Veränderungen sind möglich – das hat gerade die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs gezeigt, ebenso wie die Aktion #OutInChurch – beides Initiativen, denen wir uns verbunden fühlen. Auch wir streben eine Erneuerung der katholischen Kirche an. Hierzu öffnen und gestalten wir Räume, in denen wir selbstbewusst und eigenverantwortlich diese Erneuerung mit konkreten Schritten einfordern und voranbringen.

Wir setzen uns dafür ein, dass

· die katholische Kirche als Institution wahrhaft Verantwortung übernimmt für den sexuellen und geistlichen Missbrauch. Konkret bedeutet das z.B.: klare Präventionskonzepte zu entwickeln, umzusetzen und fortlaufend zu überprüfen, die Erfahrungen der Betroffenen ernst zu nehmen und ihnen angemessene Anerkennungsleistungen zu gewähren, Transparenz in Leitungsstrukturen und Personalpolitik zu schaffen.

· der Missbrauch in der katholischen Kirche von externer Seite aufgearbeitet wird, z.B. durch eine unabhängige „Wahrheitskommission“ mit einer angesehenen Vertrauenspersönlichkeit, an die sich Betroffene wenden können. Zugleich fordern wir das Bistum Dresden-Meißen zur längst überfälligen Offenlegung und unabhängigen Aufarbeitung der Akten auf.
· in der katholischen Kirche die spirituelle Selbstbestimmung des Menschen ermöglicht wird - ohne Zwang, Manipulation oder Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen.
· jegliche Diskriminierung und Ausgrenzung in der katholischen Kirche keinen Platz hat.
· sich die katholische Sexualmoral am heutigen Stand der Wissenschaft orientiert und die Vielfalt sexueller Identitäten und Orientierungen anerkennt und würdigt.
· Frauen in der katholischen Kirche der Zugang zu allen Ämtern offen steht – mit gleichberechtigter Teilhabe in Kirchenleitung, Verkündigung und Wissenschaft.
· die Verantwortung in der Kirche neu verteilt wird und sich Priester und Laien gemäß ihrer Kompetenzen einbringen können.
· die katholische Kirche Menschen mit einer Sprache begleitet, die sie in ihrer
Lebenspraxis anspricht und ihnen im Sinne des Evangeliums Mut zu einem guten Leben macht.
· die Kirche im ökumenischen und interreligiösen Miteinander das Gemeinsame (und nicht das Trennende) betont und mutig neue Schritte wagt im Bestreben, in sozialen wie ökologischen Fragen so viel wie möglich gemeinsam zu tun.


Für die katholische Kirche in Leipzig schlagen wir deshalb konkret vor,

o die Präventionskonzepte in der Kinder- und Jugendarbeit konsequent und dauerhaft umzusetzen und diese Arbeit nach außen hin sichtbar zu machen.
o den Kontakt zu suchen mit Menschen, die in der katholischen Kirche Missbrauch erlitten haben, und Räume der Begegnung zu eröffnen.
o dass die katholische Kirche in Leipzig eine menschenfreundliche Seelsorge praktiziert, in der kirchenrechtliche Vorschriften nicht über das Wohl der Menschen gestellt werden.
o Segnungen für Menschen in verschiedenen Lebensformen anzubieten.
o dass Laien in allen Gottesdiensten predigen können.
o Christinnen und Christen anderer Konfessionen die Teilnahme an der Kommunion zu ermöglichen.
o einen kontinuierlichen Austausch zwischen allen Gläubigen, aus der Kirche
Ausgetretenen und anderen Interessierten zu realisieren (z.B. im Forum Stadtsynode).
o stärker als bisher die Zusammenarbeit mit nichtkirchlichen und gesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern zu suchen und zu praktizieren (z.B. in Fragen der Ökologie, sozialer Notlagen, Migration).
o die zeitnahe Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs durch das Bistum zu unterstützen.

Diese Erklärung wurde im Rahmen der „Leipziger Stadtsynode 2021/2022“ durch eine Gruppe von Delegierten erarbeitet.

Bitte unterstützen Sie unsere Anliegen mit Ihrer Unterschrift!

Wir richten uns an alle interessierten Menschen, unabhängig davon, ob sie Leipziger sind oder nicht.

Kontakt: leipziger.erklaerung@web.de

 

 

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