Ressourcenschonung im Bankbereich: Ein Appell der Wissenschaft zum AGB-Änderungsmechnismus

Ressourcenschonung im Bankbereich: Ein Appell der Wissenschaft zum AGB-Änderungsmechnismus

Startdatum
29. März 2023
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Warum ist diese Petition wichtig?

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021 (Az. XI ZR 26/20 – BGHZ 229, 344) können Allgemeine Geschäftsbedingungen von Banken nicht mehr einfach und ressourcenschonend im Wege der Zustimmungsfiktion geändert werden. Der Kunde muss nun vielen für ihn oft belanglosen Änderungen ausdrücklich zustimmen, was viele Kunde als lästig empfinden, zumal wenn Sie wiederholt von ihrer Bank auf die noch ausstehende Zustimmung angesprochen werden. Melden sich die Kunden nicht zurück, droht ihnen am Ende die Kündigung ihrer Kontobeziehung. Bei dem dann erforderlichen Kontowechsel werden sie in der Regel genau dieselben Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren müssen, denen sie bei ihrer bisherigen Bank nicht zugestimmt haben. Für das im Ergebnis nutzlose Procedere werden Tonnen von Papier bedruckt und versandt. Zudem entsteht ein erheblicher bürokratischer Aufwand für die wiederholte Ansprache der Kunden. Die Folge sind höhere Bankge­bühren für alle Kunden.

30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, alle ausgewiesene Experten des Bank- bzw. AGB-Rechts, haben deshalb einen Appell an den Gesetzgeber verfasst, korrigierend einzuschreiten. Ihre Forderung haben sie in der ZIP 2023, 684-685 mit den nachstehenden zehn Thesen begründet. Sofern Sie unser Anliegen teilen, können Sie sich dieser Forderung anschließen, in dem Sie in dieser Online-Petition ihren Namen und Wohnort angeben.

Ressourcenschonung im Bankbereich – Ein Appell aus der Wissenschaft zum AGB-Änderungsmechanismus durch Zustimmungsfiktion

Mit seinem Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20 (BGHZ 229, 344) hat der XI. Zivilsenat des BGH der bisherigen Praxis einer Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wege der Zustimmungs­fiktion bei Bankgeschäften mit Verbrauchern den Boden entzogen. Die unterzeichnenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind der Auffassung, dass nach diesem Urteil dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um auch in Zukunft einen rechtssicheren wie praktikablen AGB-Änderungsmechanismus zu ermöglichen. Sie begründen diese Forderung mit den nachfolgenden zehn Thesen.

1. Das Urteil vom 27.04.2021 hat dazu geführt, dass im Geschäftsverkehr mit Banken oft Unsicherheit über die im Einzelfall geltende Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen besteht, da das Urteil zeitlich bis ins Jahr 1977 zurückwirkt und in der Vergangenheit vorgenommene AGB-Änderungen nicht wirksam waren. 

2. Das vom BGH in Aussicht genommene und von den Kreditinstituten nachvollzogene Modell der individuellen Zustimmung aller Kunden hat sich in der Praxis nicht bewährt. Der Aufwand ist sehr hoch. Die Rücklaufquoten erreichen trotz intensiver und mehrfacher Ansprache der Kunden auf verschiedenen Kommunikationswegen maximal etwas mehr als 90% der Angesprochenen; bei nur einer Ansprache ist die Quote deutlich geringer. Die Anzahl der Kunden, die ihre Zustimmung verweigert, liegt hingegen im Promillebereich.

3. Damit verbleibt eine Residualgröße von etwa 10% der Kunden, die sich trotz intensiver Bemühungen nicht zurückmelden. Ihnen droht in letzter Konsequenz die Kündigung der Kontobeziehung. Banken haben – wie andere Anbieter im sog. Massengeschäft auch – ein berechtigtes Interesse an einheitlich geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit allen Kunden. Dieses berechtigte Ziel lässt sich auf der Basis des Modells der individuellen Zustimmung nur mittels Kündigung erreichen, sofern sich Kunden nicht zurückmelden. Bereits aus diesem Grund ist die Rechtsprechung des XI. Senats weniger verbraucherfreundlich, als es auf den ersten Blick scheint.

4. Viele Verbraucher haben zudem kein Interesse, sich mit den teilweise kleinteiligen, aus ihrer Sicht uninteressanten AGB-Änderungen auseinandersetzen zu müssen. Sie empfinden das Zustimmungs­erfordernis sowie insbesondere die wiederholte Ansprache durch die Kreditinstitute schlicht als lästig.

5. Die Rechtsprechung ist auch deswegen nicht verbraucherfreundlich, weil das Modell der individuellen Zustimmung erhebliche Mehrkosten gegenüber der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wege der Zustimmungsfiktion verursacht. Viele Tonnen von Papier müssen bedruckt und versandt werden; vor allem aber schlägt der erhöhte Personalaufwand zu Buche. Diese zusätzlichen Kosten werden im Zweifel in Form höherer Gebühren an die Kunden weitergereicht. Der enorme Verbrauch an Ressourcen (insbes. Papier und Energie) ist zudem unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit kritikwürdig, zumal er wegen des weitgehenden Desinteresses der Bankkunden im Hinblick auf AGB-Änderungen sinnlos erscheint.

6. Der Hinweis des BGH auf die Möglichkeit einer Verankerung von Zustimmungsfiktionsklauseln, die den Kontext der Zustimmungsfiktion näher spezifizieren, hat sich als nicht rechtssicher umsetzbar und damit als nicht praktikabel erwiesen. Auch besteht die Gefahr, dass näher spezifizierte Zustimmungsfiktionsklauseln sehr komplex und umfangreich geraten und für den Verbraucher kaum noch verständlich sind. 

7. Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf folgt auch daraus, dass die Unzulässigkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln durch die Rechtsprechung auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr ausgedehnt zu werden droht. Im Rechtsverkehr unter Kaufleuten besteht aber ein noch größeres Bedürfnis nach einer einfachen Anpassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

8. Ebenfalls nicht geklärt ist die Frage, inwieweit die Rechtsprechung zu Bankgeschäften auch auf andere Wirtschaftssektoren zu übertragen ist. Für eine Ungleichbehandlung sprechen wenig plausible Gründe. Bei Dauerschuldverhältnissen, die im Massengeschäft abgeschlossen werden, besteht in allen Wirtschaftsbereichen ein grundsätzlich legitimes Interesse, Allgemeine Geschäftsbedingungen unter Einsatz von Zustimmungsfiktionsklauseln einfach und kostengünstig ändern zu können. Dies folgt unter anderem aus der mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbundenen Rationalisierungsfunktion, die volkswirtschaftlich zu einer besseren Allokation von Ressourcen beiträgt. 

9. Die Unterzeichnenden fordern den Gesetzgeber auf klarzustellen, dass Zustimmungsfiktionsklauseln hinsichtlich der Änderung von Dauerschuldverhältnissen und namentlich auch bei Bankgeschäften grundsätzlich unbedenklich und zulässig sind. Dies kommt bereits in den §§ 308 Nr. 5, 675g Abs. 2 BGB sowie in der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG) zum Ausdruck, bedarf aber im Hinblick auf das Urteil vom 27.04.2021 einer zusätzlichen gesetzgeberischen Klarstellung. Erste Formulierungsvorschläge werden derzeit diskutiert.

10. Dem berechtigten Anliegen des Urteils vom 27.04.2021, Verbraucher vor einem Missbrauch von Zustimmungsfiktionsklauseln zu schützen, lässt sich durch minimalinvasive gesetzliche Flankierungen nachkommen. So könnte etwa vorgesehen werden, dass das Vertragsverhältnis durch die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht strukturell umgestaltet werden darf. Zudem ist es denkbar, die erstmalige Einführung von Entgelten, anders als ihre nachträgliche Anpassung, von einer individuellen Vereinbarung mit den Kunden abhängig zu machen. In Betracht kommt schließlich auch eine Regelung, die im Wege der Zustimmungsfiktion vollzogene Entgeltanpassungen auf dasjenige Preisniveau begrenzt, welches das betreffende Unternehmen auch im jeweiligen „Neugeschäft“ einfordert bzw. erzielt, so dass eine Missbrauchskontrolle am Maßstab der am Markt mittels individueller Vereinbarung erzielbaren Preise gewährleistet wäre.

Prof. Dr. Gregor Bachmann, Berlin
Prof. Dr. Klaus Peter Berger, Köln
Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, Tübingen
Prof. Dr. Georg Bitter, Mannheim
Prof. Dr. Petra Buck-Heeb, Hannover
Prof. Dr. Hermann-Josef Bunte, Bielefeld
Prof. Dr. Matthias Casper, Münster
Prof. Dr. Robert Freitag, Erlangen
Prof. Dr. Andreas Fuchs, Osnabrück
Prof. Dr. Hans Christoph Grigoleit, München
Prof. Dr. Mathias Habersack, München
Prof. Dr. Carsten Herresthal, Regensburg
Prof. Dr. Klaus Hopt, Hamburg  
Prof. Dr. Christian Kersting, Düsseldorf
Prof. Dr. Lars Klöhn, Berlin
Prof. Dr. Christoph Kumpan, Hamburg
Prof. Dr. Katja Langenbucher, Frankfurt 
Prof. Dr. Lars Leuschner, Osnabrück
Prof. Dr. Dimitrios Linardatos, Saarbrücken
Prof. Dr. Gerald Mäsch, Münster
Prof. Dr. Sebastian Omlor, Marburg
Prof. Dr. Andreas Piekenbrock, Heidelberg
Prof. Dr. Thomas Pfeiffer, Heidelberg
Prof. Dr. Dörte Poelzig, Hamburg
Prof. Dr. Moritz Renner, Mannheim
Prof. Dr. Carsten Schäfer, Mannheim
Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke, Erlangen
Prof. Dr. Rüdiger Veil, München              
Prof. Dr. Hans-Gert Vogel, Emden-Leer
Prof. Dr. Martin Zimmermann, Bochum

 

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